Autor: Michael Grein | Date: 11.06.2014
In einem Einfamilienhaus Nähe Stuttgart wurde durch die Hauseigentümer angeregt, neue Teppichböden auf die gewendelten Betonstufen durch einen Fachbetrieb verlegen zu lassen und nach entsprechender Material- und Farbauswahl eine hochwertige Teppichbodenqualität gewählt, die nach Entfernen der Altteppichböden und Untergrundvorbereitungen vollflächig verklebt verlegt werden sollten. Sockelleisten oder Randabschlüsse waren aus gebäudetechnischen Gegebenheiten nicht notwendig, die Teppichböden sollten passgenau angearbeitet werden.
Bereits während der Verlegung kam bei den Hauseigentümern Zweifel auf, nicht aber wegen der Teppichqualität, sondern ausschließlich bezogen auf die Leistungen des Bodenlegers. Mängelrügen während und unmittelbar nach der „Fertigstellung“ blieben unbeantwortet und der Verfasser als Sachverständiger zu Rate gezogen.
Die mit Teppichboden belegten Flächen wurden in dem hier beschriebenen Zustand vorgefunden:
Im Haus des mit Ortsbegehung und Inaugenscheinnahme begutachteten Objekts, befinden sich mit Teppichböden verlegte Stufen mit vorspringenden Kanten, Podeste und angrenzende Räume.
Der Teppichboden ist auf den Stufen vollflächig verklebt. Auf den Podesten wurde ein Nassbettkleber verwendet.
Sämtliche Randbereiche haben offen liegende Schnittkanten.
An den Abschlüssen zur Wand sind keine Sockelstreifen befestigt.
Der Bodenbelag besitzt eine Gesamtdicke von ca. 4-5mm, er ist hellbraun meliert.
Die zwingend notwendigen Nachweise und die technischen Merkblätter über die vorgeschriebene Prüfung der Treppeneignung des Bodenbelages sind vorgelegt und erbracht.
Klimatische Verhältnisse während der Ortsbesichtigung:
Lufttemperatur: zwischen 19,5 - 19,8 Grad Celsius
Relative Luftfeuchtigkeit: zwischen 27,0 - 34,0 %
Oberflächentemperatur Teppich: zwischen 18,6 - 19,8 Grad Celsius
Untergrundtemperatur: zwischen 17,2 - 18,7 Grad Celsius
Untergrundfeuchtigkeit: zwischen 55,0 - 61,0 digits (Gann-Einheit)
Die Messungen und Prüfungen erfolgten mit kalibrierten digitalen
Gann-Geräten (Hydromette RTU 600).
Lufttemperatur und Luftfeuchtigkeit mit RF-T
Oberflächentemperatur mit IR-40
Bodenfeuchtigkeit kapazitiv, zerstörungsfrei mit B-50
Mengenberechnung des Bodenbelages:
Stufen: Setzstufenhöhen im Schnitt = ca. 13cm
Trittstufentiefen im Schnitt = ca. 35cm
Stufenbreiten im Schnitt = ca. 105cm
(3 Treppen à 14 Stufen)
Zustände der Stufenbeläge:
Die vollflächig verlegten Tritt- u. Setzstufen sind mit dem Belag, beginnend von der jeweiligen Hinterkante eines Trittes über die Vorderkante bis zur Unterseite der Setzstufe, aus einem Stück verlegt.
Zur Verklebung wurde ein Nassbettkleber verwendet.
Über 1 Drittel der Gesamtstufen sind mit dem Flor des Teppichs gegen die Strichrichtung, also treppenaufwärts verlegt, mehr als 1 weiteres Drittel sind nicht fadengerade im Winkel zur Vorderkante der Trittstufe verlegt.
In den Bereichen um die einzelnen Trittkanten bis zur Setzstufenfläche und den jeweiligen Eckstellen, sind Anhäufungen von Blasen und Hohlstellen (mit Durchmessern bis zu ca. 5cm und Höhen bis zu ca. 6mm) festgestellt worden, die durch fehlende und mangelhafte Verbindung/ Arretierung zwischen Belag und Untergrund entstanden sind.
In den Übergangsbereichen zu den Setzstufen sind die Beläge an vielen Stellen auf den Tritten abgelöst und nicht mit dem Untergrund kraftschlüssig verbunden. Hier kann der lose liegende Belag ohne Krafteinwirkung angehoben werden.
Die Übergangsstellen der Belagsränder zur Treppenstufenmitte und zu den Wänden hin, liegen ebenfalls mehrfach kontaktlos und teilweise nur leicht anhaftend zum Untergrund vor.
Der verlegte Bodenbelag ist an den Randbereichen und den Winkelstellen sehr unsauber, nicht gerade geschnitten und vielfach ausgefranst.
Sämtliche Fluchtverläufe (optisch wichtiger und verlegungsentscheidender Verlauf der Belagsschnittkanten, parallel zur Treppenhausinnen- u. Außenseite liegend), sind nicht fachgerecht und nicht sachgerecht bearbeitet.
Die Abstände der Schnittkanten zu oben erwähnten Fluchtverläufen differieren stark und sind im Verlauf sehr ungleichmäßig. Besagte Differenzen und Fehlschnitte der Seiten betragen untereinander bis zu 1,3cm, im Verhältnis zueinander sind Unterschiede bis zu 1,7cm dokumentiert. Die Verlegung der Beläge sind nicht weit genug zu den Stufenrändern/ zur Wand hin erfolgt.
Weiterhin sind die Böden in der Gesamtaufbaustärke (von oben nach unten) nicht im erforderlichen Winkel geschnitten.
Diese Schrägschnitte sind durch die Abschlussfreie Verlegung in den Randbereichen offen liegend.
An mehreren Bereichen der Setzstufenunterkanten und der Randbereiche, sind irreparable Fehleinschnitte des Belages vorgefunden worden, die bis zu ca. 5cm Einschnittlängen erreichen. Ebenso sind an einigen Stellen mangelhaft nachgebesserte und eingesetzte Teppichstreifen/ Teppichstücke und Belagsreste von bis zu 2,8cm Breite und
ca. 3,5cm Länge eingestückelt (Flickwerk).
Die Trittbereiche der Beläge sind vielfach stark ausgefranst und die Teppichfasern aus ihrem Verbund gelöst. Die Fasern haben in diese Bereichen keinen Halt mehr zum Grundgewebe und sind leicht ablösbar.
Diese Bereiche befinden sich in einem stark beschädigten und irreparablen Zustand mit sogenannten Bartbildungen und Filamentaufrauhungen des Belages.
Auf den Belägen wurden in vorderen Teilbereichen vereinzelt starke Farbveränderungen festgestellt.
Weiterhin sind „Verschwammungen“ und starke Florverlagerungen entstanden.
Zustände der Podest- u. Raumbeläge, sowie Sockelleisten:
Die verlegten Bodenbeläge auf den Podesten und in den Räumen sind mit Nassbettkleber vollflächig verklebt.
Die Randbereiche sind größtenteils mit Sockelleisten abgeschlossen.
In den Randbereichen der Türzargen ist der Belag unsauber angearbeitet. Teilweise sind Fehlschnitte vorhanden, mehrfach jedoch ist an diesen Bereichen der Belag gestaucht angearbeitet, also press verlegt. Einige lose liegende Aufwölbungen und Hohlstellen sind durch diese Stauchungen entstanden.
Grundsätzlich einzuhalten sind:
VOB Teil C ATV DIN 18299 und Bodenbelagarbeiten DIN 18365.
Toleranzen im Bauwesen DIN 18201 und
Toleranzen im Hochbau DIN 18202.
Hinweise zu den Produktbeschreibungen und Eigenschaften (Lichtechtheit, Farbechtheit, Anbluten, Ausbluten von Farben…), Verwendungs- u. Einsatzzwecke, technische Merkblätter und Verlegungsanleitungen der einzelnen Hersteller unter Berücksichtigung der Gefahrenhinweise aller Arbeiten und Materialien.
Allgemein gilt:
Klebstoffe müssen eine feste und dauerhafte Verbindung erreichen.
Sie dürfen Bodenbelag und Untergrund nicht nachteilig beeinflussen.
Die Beläge müssen dauerhaft fest verbunden mit dem Untergrund verklebt sein.
Vorstriche, Spachtel- u. Ausgleichsmassen müssen sich fest und dauerhaft mit dem Untergrund verbinden, einen Haftgrund für den Klebstoff ergeben und so beschaffen sein, dass der Bodenbelag darauf ohne Formveränderungen liegt. Sie dürfen Untergrund, Klebstoff und Bodenbelag nicht nachteilig beeinflussen.
Der Untergrund für Beläge, die ohne Unterlage verlegt werden, ist mit Spachtelmasse zu glätten; bei größeren Unebenheiten ist Ausgleichsmasse zu verwenden.
Bodenbeläge (auch Spachtel- u. Ausgleichsmassen) für spezielle Einsatzgebiete wie z.B. Treppen, müssen für den jeweiligen Verwendungszweck geeignet sein.
Bodenbeläge sind auf Treppen vollflächig zu kleben.
An textile Bodenbeläge werden über einen an die Intensität der Begehung angepassten Strapazierwert und über den Komfortwert hinaus je nach Anwendungsbereich weitere Anforderungen gestellt. Diese leiten sich entweder aus den Umgebungsbedingungen, oder den speziellen Nutzungsarten ab.
Treppengeeignet sind textile Bodenbeläge, wenn beim Gebrauch die abgerundeten Treppenkanten keine wesentlich starken Veränderung und keinen wesentlich höheren Verschleiß aufweisen als die übrigen Flächen.
Nicht Treppengeeignet sind textile Bodenbeläge, wenn starke Veränderungen des Aussehens des Belages im Bereich der Treppenkanten sichtbar werden.
Dazu gehören unter Anderem starker Faserverlust (Verschleiß) und Faseraufrauhungen (Bartbildung).
Textile Bodenbeläge ohne Randabschlüsse/ Sockelleisten, sind fach- u. sachgerecht an sämtliche Bauteile anzuarbeiten und dicht ohne Stauchungen kraftschlüssig verklebt zu stoßen, um das optisch gleichmäßiges Gesamtbild zu gewahren.
Zusammenfassende Beurteilung und Fazit
der vorgefundenen Teppichbodenbeläge
Nach schriftlich angeforderten und überprüften Merkblättern und Datenblättern des Bodenbelages, sowie weiterführend gutachtlich ausgeführten Qualitätskontrollen und eingehenden Materialprüfungen des hier zur Rede stehenden Belages ist festzustellen, dass dieser die notwendige Freigabe für den vorgefundenen Nutzungsbereich und den Verwen-dungszweck im vollen Umfang erfüllt und bedenkenlos eingesetzt/ verlegt werden darf.
Die hier vorgefundenen und vollflächig verlegten Teppichbodenbeläge sind somit grundsätzlich für die nach Art und Anwendung vorgesehenen Treppenhausverlegungen auf Blockstufen und Stufen mit vorspringender Kante im Wohnbereich geeignet.
Die vorgefundenen extremen Ausfaserung und Florverlagerungen in vielfachen Stufenbereichen sind auf die vor Ort festgestellten unfachmännisch und ungenügend ausgeführten Verlegearbeiten zurück zu führen, die im Laufe der Zeit zu erheblichem Substanzverlust bis zum Grundgewebe führen werden.
Durch die unsachgerechte und unfachgemäße Verlegung, erfuhr der Bodenbelag die beim Ortstermin festgestellten erheblichen und nicht korrigierbare Ausfaserungen und Bartbildungen.
Die weiteren vorgefundenen Mängel sind durch zahlreiche und unsachgemäße Verarbeitungs- und Verlegungsfehler entstanden.
Hierunter fallen die teilweise unterlassenen Untergrundvorarbeiten und die mangelhaft ausgeführten Schnitte der Rand- u. Abschlussbereiche.
Die unfachmännisch an die freibleibenden, festen Bauteile gearbeiteten Teppichkanten sind durch die Stauchungen an diesen Bereichen aufgewölbt.
Fehlende Sockelbereiche führen zu Verschmutzungen der Kantenstellen in diesen Bereichen.
Diese Mängel können nachträglich nicht mehr fachgerecht korrigiert werden.
In den vorderen Stufenkantenbereichen fehlt vielfach eine vollflächige und vollständige Verklebung, sodass hier lose Teppichwölbungen und hohl liegende Stellen einhergegangen sind. Durch die Belagseigenspannung und während des üblichen Gebrauchs, löst sich dieser (hauptsächlich an den vorderen Stufenbereichen und um die Kantenbereiche) unweigerlich und dauerhaft weiter ab.
Diese Bereiche können nicht nachgearbeitet werden und die notwendige Sicherheit und eine dauerhaft sachgerechte Verlegung sind nicht gewährleistet.
Die Hohlstellen und losen Belagsbereiche stellen eine erhebliche Unfallgefahr und Verletzungsgefahr dar.
Des Weiteren kommen hier, unter Anlehnung an alle aufgeführten irreparablen Mängel, erheblich zu beanstandende optische Beeinflussungen zum Tragen.
Die beraterischer Prüfpflicht, die Hinweispflicht und die Sorgfaltspflicht des Auftragnehmers bezüglich der warentypischen Eigenschaften dieses Bodenbelages jedoch und der daraus resultierenden möglichen Florverlagerungen, sind seitens des Auftragnehmers Bodenbelagarbeiten/ durch den Verlegebetrieb nicht erschöpfend gegenüber dem Auftraggeber erfüllt/ nachgewiesen.
Um für einen dauerhaft sicheren und sachgemäß nutzbaren Zustand des Belages und für einen nach der Art und Anwendung vorgesehenen Verwendungszweck, sowie für eine fachgerechte Gesamtnutzungsdauer des Bodenbelages garantieren zu können, muss der komplette Bodenbelag der gesamten Treppenstufen entfernt werden, die Untergründe entsprechend neu vorbereitet und ein neuer geeigneter Teppichbodenbelag verlegt werden.
Fazit:
Nach den anerkannten Regeln des Fachs und dem aktuellen Stand der Technik, ist zur vollständigen Behebung des irreparablen Gesamtschadens nur ein Komplettaustausch der Teppichbodenbeläge möglich.
Nach anschließenden sachgerechten Untergrundvorbereitungen werden geeignete Beläge mit fachmännischen Schnitt- u. Arbeitstechniken vollflächig neu verklebt. Partielle Ausbesserungsarbeiten der besagten Mängel/ Schäden, sind weder zulässig noch zumutbar.
Um ein optisch duldbares und hinzunehmendes Gesamtbild zu erzielen, ist es unabdingbar Notwendig, auch die Podest-/ Flurbereiche mit dem neuen Bodenbelag zu verlegen.
Autor dieses Fachbeitrags ist der EU-Zertifizierte Berufssachverständige
Michael Grein