Autor: Michael Grein | Date: 11.06.2014
Vielen Auftraggebern ist klar, dass handwerkliche Auftragsvergaben nicht immer reibungslos verlaufen, aber nur den wenigsten ist bereits im Vorfeld tatsächlich bewusst, welche Ausmaße Streitigkeiten mit sich bringen können. Nicht zuletzt enden diese zunächst nur empfindlich beginnenden Differenzen letztlich in unwiederbringlichen gerichtlichen Instanzen. Nachfolgend wird aus einem aktuellen einschneidenden Fall berichtet, der vor einem Gericht in Baden-Württemberg endete, bei dem der Verfasser zur fachlichen Aufklärung als „Gerichtsgutachter“/ Gutachter bestellt wurde.
Eine Familie aus Baden-Württemberg plante nach privaten Veränderungen eine umfassende Komplettrenovierung eines Wohn- und Esszimmers im Eigenheim. Hierzu wurden die Räumlichkeiten durch einen Unternehmer besichtigt und die Beratungsgespräche führten zur Einigung. Das schriftliche Angebot (ca. 5.500,-€) wurde angenommen, nachträgliche Arbeiten nur mündlich oder überhaupt nicht vereinbart und die Arbeiten durch Zuständige des Unternehmer durchgeführt.
Die Wahl viel auf Raufaserpapier auf Decke, Vinyltapete auf Wände mit dem Vorhaben einzelnen Abschnitten mit abgesetzten Vinyltapetenbereichen (=Panneau/ Spiegel) ein farblich und strukturell abgesetztes Konzept zu verleihen.
Bereits während der Arbeiten und abschließend wiederholt unmittelbar nach der Fertigstellung wurden erhebliche Mängel und die nun von 5.500,-€ auf nun ca. 8.300,-€ angewachsene Rechnung durch die Auftraggeber gerügt.
Zwar betrieb der Unternehmer Nacherfüllungsversuche in Form von Flickwerkarbeiten, also vereinzeltes nachstreichen und ausbesseren ausschließlich an den Wandflächen.
Die Mängelrügen bestanden jedoch weiterhin. Ein „Gutachter“ für Tapezierarbeiten wurde sodann seitens des Unternehmers zugerufen, der zunächst die Mängel als insoweit hinzunehmende Unregelmäßigkeiten definierte und die Kosten zur Wiederherstellung auf ca. 200,-€ titulierte.
Nach beidseitigem Einschalten durch Anwälte der Parteien folgte die langwierige gerichtliche Instanz und letztlich die Bestellung des Verfassers.
Bei einem gutachtlichen Ortstermin konnten folgende Mängel/ Schäden und Werte festgestellt werden.
Wandflächen:
Deckenflächen:
Die hier in Rede stehenden Deckenflächen (ausgenommen Übergänge/ Anbindungen zu Wandflächenverfugungen) sind als fachgerecht/ nicht zu beanstanden zu fixieren. Insoweit erübrigen sich weitere Ausführungen dahingehend.
Fußboden-/ Parkettflächen:
Die zerstörungsfrei durchgeführten Messungen der klimatischen Bedingungen und Feuchtigkeitsmessungen aller Bereiche waren unauffällig.
Auszüge einiger zur Anwendung gekommener Normen und Richtlinien:
DIN 18356 Parkettarbeiten VOB Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen – Teil C: Allgemeine Technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen (ATV) – Parkettarbeiten.
DIN 18363 Maler- und Lackierarbeiten - VOB Teil C: Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen: Allgemeine Technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen (ATV) - Maler- und Lackierarbeiten – Beschichtungen 2012:09.
DIN 18366 Tapezierarbeiten – VOB Teil C: Allgemeine Technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen (ATV) 2012:09.
DIN 18560 Estriche im Bauwesen 2009:09.
DIN 18353 Estricharbeiten VOB Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen - Teil C: Allgemeine Technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen (ATV).
DIN CEN TS 15717 Parkett Parkett - Allgemeine Verlegeanleitung; Deutsche Fassung CEN/TS 15717:2008.
DIN EN 13647:2011-08 (D) - Holzfußböden und Wand- und Deckenbekleidungen aus Holz - Bestimmung geometrischer Eigenschaften; Deutsche Fassung EN 13647:2011.
DIN EN 13489 Holzfußböden Mehrschichtparkettelemente Deutsche Fassung EN 13489:2002.
VOB Teil C: Beck`scher Kommentar Allgemeine Technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen Englert/ Katzenbach/ Motzke.
TKB-Merkblatt 1 - Kleben von Parkett - Stand Februar 2012 von der Technischen Kommission Bauklebstoffe (TKB) im Industrieverband Klebstoffe e.V.
- Zentralverband Parkett- und Fußbodentechnik, erstellt u.a.v. - Bundesverband Estrich und Belag e.V. (BEB) - Zentralverband Raum & Ausstattung - Bundesverband der vereidigten Sachverständigen für Raum und Ausstattung e. V.
Ausführungen/ Vorgaben zu den gutachtlichen Einzelbeurteilungen (maßgebliche Auszüge)
Ebenheitstoleranzen DIN 18202;
Tabelle - flächenfertige Böden:
Hinweis: Zwischenliegende Werte werden interpoliert
Die Ebenheit schließt die vertikalen Abweichungen ein. Die vertikalen Abweichungen der Verlegefläche sollten bestimmt werden, indem ein Kantenlineal auf Erhebungen auf der Oberfläche gelegt und die größte Vertiefung in der Oberfläche gemessen wird. Das Ergebnis dieser Messung wird in Bezug auf den Abstand zwischen den Erhebungen angegeben, auf denen das Kantenlineal ruht (Bezugspunkte). Abschnitt dieses Dokuments Anforderung Nationale Spezifikation bzw. Festlegungen
Bei Unebenheiten gilt grundsätzlich die Einhaltung der Toleranzen nach DIN 18202 für eine fachgerechte Leistung. Maximal zulässige Abweichungen sind für zwei 1 m voneinander entfernten Bezugspunkte 3 mm und für zwei 2 m entfernte Bezugspunkte 5 mm. Außerdem ist für die Beurteilung das Erscheinungsbild bei üblicher Raumnutzung maßgeblich.
Hölzerne Fußleisten müssen an den Ecken und Stößen auf Gehrung geschnitten werden und in einem Abstand von weniger als 60 cm dauerhaft an die Wand befestigt werden. Die Fuge zwischen Sockelleiste und Fußboden ergibt sich aus der zulässigen Ebenheitstoleranz der Fußbodenfläche. Nachträgliche Spaltenbildungen zwischen wandbefestigten Sockelleisten und Bodenbelägen sind abhängig von Estrichverformung und Nachgiebigkeit der Wärmedämmung (DIN 18202).
Das Parkett ist nach DIN 18356:2006, 3.2.3, systemgerecht mit hartplastischem, schubfestem Parkettklebstoff vollflächig auf den Untergrund zu kleben. Die Verlegeanleitung des Parkett- und Kleberherstellers ist zu befolgen.
Hohlstellen: DIN CEN TS 15717 Parkett – Allgemeine Verlegeanleitung; Deutsche Fassung CEN/TS 15717:2008 8.2.2 Hohlklingende Stellen Hohlklingende Stellen sind in der Regel kein Mangel, wenn sie fest liegen und die Verlegeeinheiten sich bei Belastung nicht bewegen (DIN 18356 in Verbindung mit DIN 18202). Hohlleger/ Bewegung im Parkett hingehend sind unzulässig.
DIN EN 13489 Holzfußböden Deutsche Fassung EN 13489:2002
4.6 Geometrische Eigenschaften
4.6.2 Maße und zulässige Abweichungen Tabelle 5 Maße und Grenzabmaße eines Elementes Zulässige Breitenabweichung ± 0,2 mm Überzahn (zwischen den Elementen) ≤ 0,2 mm
8.2.11 Fuge zwischen Elementen Die Summe der Fugen sollte, quer über die Fußbodenelemente gemessen, nicht mehr als 4 mm/m betragen. Bei Massivholzparkett darf keine Fuge mehr als 0,5 mm betragen und bei Mehrschichtparkett nicht mehr als 0,3 mm.
2.2 Grundbeschichtungsstoffe… …müssen die Saugfähigkeit von Untergründen mindern oder egalisieren und die Haftfestigkeit der Wandbekleidungen gewährleisten.
2.3 Spachtel- u. Ausgleichsmassen … … dürfen nach dem Trocknen keine Schwindrisse aufweisen.
3.1.1 Der Auftragnehmer hat bei seiner Prüfung Bedenken insbesondere geltend zu machen bei - ungeeigneter Beschaffenheit des Untergrundes, z.B. absandendem und kreidendem Putz, nicht genügend festem, gerissenen und feuchtem Untergrund, Ausblühungen, Schimmelbildung, - ungeeigneten raumklimatischen Bedingungen, - Unebenheiten, die die technischen und optischen Anforderungen an die Tapezierung beeinträchtigen, - Wasserrändern, - Verunreinigungen durch Öle, Fette, Nikotin, - klaffenden Fugen zwischen Putz und Einbauteilen.
3.1.3 Einzelne, kleinere schadhafte Stellen im Untergrund sind auszubessern.
3.1.5 Ist eine Spachtelung vereinbart, sind die Flächen ganzflächig einmal mit Spachtelmasse zu überziehen und zu glätten.
3.2.3 Tapezierung
3.2.3.1 Auf eine Wand- und Deckenfläche sind nur Tapeten derselben Anfertigungsnummer zu tapezieren.
3.2.3.3 Tapetenbahnen sind blasen- und faltenfrei zu tapezieren, an Wänden sind sie lotrecht anzubringen.
3.2.3.4 Tapeten sind über schmale Naht zu tapezieren, wenn Art, Dicke und Rapport der Tapete es zulassen. Beim Tapezieren ist von der Tageslichtquelle aus zu beginnen.
3.2.3.6 Tapeten über Türen sowie Aussparungen und dergleichen sind, wenn erforderlich, aus den anschließenden Bahnen auszuschneiden.
3.2.3.7 Tapeten an Ecken sind zu trennen und überlappt zu kleben, wenn Art und Dicke es zulassen.
3.2.3.8 Bei Anschlüssen an Türen, Fenstern, Fußleisten, Sockeln und anderen Bauteilen muss die Tapete an diese Bauteile anstoßen und scharf begrenzt sein.
3.2.3.10 Deckel von Verteilerdosen sind überzutapezieren.
Auf Grundlage der Sachverhalte bleibt zu konstatieren, dass die Ausführungen/ Einbau eines neuen Fußbodenbelages (Parkett), nebst Tapezier- und Malerarbeiten nicht ordnungsgemäß bzw. nicht mangelfrei ausgeführt wurden bzw. sind.
Die abgerechneten Positionen einer Schlussrechnung (über ca. 8.300€), sowie die sich hieraus ergebenden Einzelpreise sind zu beanstanden und nicht ortsüblich bzw. nicht angemessen. Die in der Schlussrechnung aufgeführten Stundenlohnarbeiten/ Materialien/ Arbeiten sind aus fachlicher Sicht und gutachtlicher Bewertung nicht vollumfänglich nachvollziehbar.
Der in der Relation zum Auftrag veränderte Preis, bezogen auf die in der Schlussrechnung abgerechneten Mehrleistungen, ist zu beanstanden. Im Tenor können die aufgeführten Positionen/ Mehrleistungen insofern nicht nachvollzogen werden, da die abgerechneten Mehrleistungen/ Preise/ Arbeiten, in Anbetracht der vorliegenden Gegebenheiten, gleichgelagert nicht ausgeführt sind bzw. nicht vollständig erfolgt sein können.
Der zu bezahlende Preis für die Leistung und der Gegenleistung steht in einem Missverhältnis. Die Marktpreise für die hier vorliegende Werkleistung betragen
und liegen erheblich über dem Marktpreis. Die abgerechneten Preise für die Arbeiten sind somit weder ortsüblich noch angemessen.
Weiterhin sollen laut Unternehmer „Mehrleistungen“ erbracht worden sein, die mit über 75 Arbeitsstunden abgerechnet wurden, aber keinesfalls weder nachvollziehbar waren geschweige denn überhaupt ausgeführt wurden oder notwendig waren. Abschließend bleibt zu erwähnen dass seitens des Unternehmers im Tenor keine ausgebildeten Fachleute, sondern studentische Urlaubshilfsarbeiter eingesetzt wurden.
Wie vorgenannt beschrieben wurden in diesem Fall umfangreiche Fehlleistungen und Mängel bezüglich der Abrechnungen und der Gewerke Estricharbeiten, Parkettarbeiten, Maler- und Tapezierarbeiten abgeliefert und waren somit vollumfänglich zu beanstanden.
Autor dieses Fachbeitrags ist der EU-Zertifizierte
Berufssachverständige Michael Grein