Polstermöbel – Ledercouch

Mängel kollidieren nicht nur mit Preisniveaus

Mangelhaftes Leder auf einer Couchgarnitur

Wer kennt es nicht?! - Eine neue Couchgarnitur soll angeschafft werden, die Auswahl ist groß und die Beratung von Halbfachwissen gekennzeichnet

Letztlich fällt die Entscheidung auf ein vermeintlich geeignetes Modell, dieses Mal soll es langlebig, pflegeleicht und optisch ansprechend sein. Und entsprechend steigt das Preisniveau.

Die Kosten für Sofas oder Couch(e)s liegen hierbei gern beginnend bei rund 2.000€ und nach oben ist meistens bei 8.000€ die obere Mittelgrenze erreicht.

Unter anderen kamen folgende normative Verweisungen, Bezugsquellen und Arbeitsunterlagen zum Einsatz:

Häufig werden unsere Sachverständige bei Mängeln und Schäden an Couchgarnituren zugerufen, die Preisklassen kollidieren oftmals unabhängig der bezahlten Kostensummen.

In einem Fall im Raum Baden-Württemberg aus dem Jahr 2015 wurden durch den Verfasser dieses Beitrages vor Ort erhebliche Mängel und daraus gefolgerte Schäden an einer sehr hochwertigen Ledercouch – Kombination vorgefunden und diese sinngemäß wie folgt dokumentiert:

Details zu den gegenständlichen Polstermöbeln

Es handelte sich um eine Vollpolsterledergarnitur (1x Eckkombination) mit zugehörigem Hocker mit grauen Glattlederbezügen.

Eine aus der gleichen Polstermöbellieferung ebenfalls schadensbetroffene 2er-Couch befindet sich bereits geraume Zeit im selbigen Objekt. Eine weitere nachgelieferte und zum Zeitpunkt des Ortstermins augenscheinlich mangel- und schadensfreie 3er-Couch gleichen Modells befindet sich ebenfalls vor Ort.

Der Kauf fand im Jahr 2014 statt.

Die maßgeblichen Mängelrügen erfolgten unmittelbar nach Bekanntwerden gegenüber dem Lieferanten/ Produzenten.

Fachlich notwendige Maßnahmen und entscheidende Abwicklungen seitens des Lieferanten/ Produzenten hierzu fanden seither nicht abschließend statt. Die Mängel/ Schäden bestehen fortlaufend.

Vorgefundene Schadensparameter / Mängel

  • Farblich changierende/ differierende Lederoberflächen in allen Sitzteilbereichen unabhängig des Lichteinfalls
  • Rissbildungen/ Brüche in Sitz-, Rücken-, Bödenflächen, gleichgelagert an den ungenutzten und den gewöhnlich unzugängigen Bereichen (z. Bsp. unterhalb Rückenpolsterung)
  • Rissbildungen, schollenartige Farbablösungen/ Abschälungen
  • Sichtbare Narben-/ Aderverläufe, ggfls. Mastfalten/ Dung-/ Raustellen (Rückenspannteil)
  • Erfolgter nachgebesserter Teilbereich im Rückenspannteil, offensichtlich bereits erfolgt, vor dem Zeitpunkt der in die Nutzung übergangenen Couchgarnitur
  • Craquelèeartige Rissbildungen und einhergehende Ablösungen der Farbschichten, hier im Tenor geringere Untergrundhaftung

Hinweise:

  • Die vorgefundenen Riss-/ Bruchschäden verlaufen nicht über mehrere Zuschnitte, also nicht über die Nahtbereiche, sondern sind in sich geschlossen vorliegend
  • Eine mangelnde Pflege/ Reinigung bzw. fehlende Feuchtigkeit konnte im Rahmen der Untersuchungen nicht festgestellt werden. Insoweit werden die vorgefundenen klimatischen Werte, haptische und digitalmikroskopische Inaugenscheinnahmen, maßgebliche Feuchtemessungen und umfangreiche Beurteilungen der entnommenen Proben vorangezogen.

Die durchgeführten Überprüfungen (vor Ort und laborintern) bezogen auch auf die Haftungseigenschaften und den Materialkomponentenaufbau führten maßgeblich zu abschließenden Bewertungen. Hierzu konnte festgestellt werden, dass die Schadensbilder (Rissbildungen/ Ablösungen etc.) im Tenor oberhalb, also unmittelbar anliegend der Narben/ Adern u.w. und Lederunregelmäßigkeiten aufgetreten sind, unabhängig von den Nutzungsbereichen. Also gleichgelagert in den Sitzflächenbereichen, den Rückenteilen, Böden, sowie den nicht direkt genutzten und den in der üblichen Verwendung tlw. unzugänglichen Bereichen (Spannteile/ seitliche Böden, Sitzflächenabschnitte unterhalb der Rückenpolsterungen usw.) und sind keiner unsachgemäßen Nutzung oder Verwendung zuzuordnen. Die Schäden/ Mängel betreffen gleichermaßen auch die genutzte Couch (2-er Sofa) aus gleicher Lieferung, das nachgelieferte Sofa ist augenscheinlich derzeit schaden- und mangelfrei.

Technische Richtlinien/ Normung/ Vorgaben

  • Besondere Güte- u. Prüfbestimmungen für Polstermöbel RAL-RG 430 - Güte- u. Prüfbestimmungen gelten für die Herstellung von Polstermöbeln; ergänzend hierzu Normen, Richtlinien und Vorschriften (Hinweis- und Datenblätter Deutsche Gütegemeinschaft Möbel e.V. - DGM-Möbel, BVDM – Bundesverband des Deutschen Möbel-, Küchen- und Einrichtungsfachhandels, VDM – Verband der Deutschen Möbelindustrie) die im hier zur Rede stehenden Sachverhalt herangezogen wurden und sich auf den Geltungsbereich dieser besonderen Güte- u. Prüfbestimmungen beziehen.

  • Allgemeine Anforderungen an Polstermöbel:

Vorausgesetzt wird bei Möbeln mit Gütezeichen eine qualitativ hochwertige Verarbeitung geeigneter Materialien und Bauelemente. Die Funktion und der Gebrauchsnutzen werden nach dem jeweiligen Stand der Technik, bezogen auf ein solides Qualitätsniveau, beurteilt.

  • Die in den Gütebedingungen festgelegten materialspezifischen Kennwerte müssen übereinstimmend wirken.

  • 1.3 Anforderungen an die Polsterungen:

Die Sitz- u. Rückenhärten einer Garnitur müssen jeweils untereinander weitgehend einheitlich sein. Vergleichbare Polsterteile müssen einheitliche Eindrucktiefen aufweisen. Konstruktiv und formbedingt unterschiedliche Polsterelemente können abweichen. Polstereigenschaften müssen bei sachgemäßem Dauergebrauch erhalten bleiben, d.h. Eindrucktiefenänderungen nach der Schwellbelastungsprüfung im Sitzbereich <20% im belasteten Zustand; keine Brüche oder sonstige Schäden.

  • Auszüge aus: 9.8.2 Leder für Polstermöbel - Definition Leder: Definitionen der Begriffe im Zusammenhang mit Leder gemäß DIN EN 15987, RAL 060 A2 und DIN 68871. Die Bezeichnungsvorschriften für Produkte im Zusammenhang mit Leder gemäß RAL 060 A2, DIN 68871 und DIN EN 16223 sind zu beachten.

  • Natur- und Wachstumsmerkmale: Als Natur- und Wachstumsmerkmal gelten alle am lebenden Tier entstandenen, verwachsenen und geschlossenen Verletzungen und Merkmale. Diese dürfen unter Wahrung der üblichen Haltbarkeit und des harmonischen Gesamtbildes verarbeitet werden. Offene, nicht verwachsene und nachträglich entstandene Beschädigungen der Haut gelten als Fehler. Dazu zählen Gerbe- und Zurichtungsfehler sowie Lagerschäden.

  • Lederverarbeitung, Lederzuschnitte und Nahtausführungen können aus material- und verarbeitungstechnischen Gründen zusätzliche Teilungsnähte zur Stoffverarbeitung aufweisen (Produktinformation). Natur- und Wachstumsmerkmale: Als Natur- und Wachstumsmerkmal gelten alle am lebenden Tier entstandenen, verwachsenen und geschlossenen Verletzungen und Merkmale. Diese dürfen unter Wahrung der üblichen Haltbarkeit und des harmonischen Gesamtbildes verarbeitet werden. Strukturunterschiede bei Leder sind unter Berücksichtigung eines harmonischen Gesamtbildes zu verarbeiten. Offene, nicht verwachsene und nachträglich entstandene Beschädigungen der Haut gelten als Fehler. Dazu zählen Gerbe- und Zurichtungsfehler sowie Lagerschäden.

  • Dauerbiegefestigkeit Anilinleder mit nicht pigmentierter Zurichtung, Semianilinleder und pigmentierte Leder dürfen auch nach 50.000 Knickungen keine Risse, Graubruch oder Ablösungen aufweisen. Diese Prüfung ist für Rauleder/ Nubukleder nicht erforderlich. Prüfung nach DIN EN ISO 5402-1
  • Haftfestigkeit der Zurichtung Mindestwert für die Haftung der Zurichtung bei Glattleder  2,0 N / 10 mm Streifenbreite. Eine Trennung innerhalb der Zurichtschicht ist nicht zulässig, auch wenn die Kraft größer als 2 N/10 mm ist. Prüfung nach DIN EN ISO 11644 in N/cm;…
  • Alterungs- und Temperaturbeständigkeit Visuelle Beurteilung von Farbton und Oberfläche. Es dürfen im Neuzustand keine Veränderungen feststellbar sein, z. B. keine Risse, Farbänderungen, starker Schrumpf, veränderte Narben. Bewertung einer Farbänderung mit dem Graumaßstab nach DIN EN 20105/A02: mind. Note 4–5 Prüfung nach 3 Tagen bei 60° im Wärmeschrank.
  • Zu Punkt 6: Bezugsmaterial Die DGM-Produktinformation setzt voraus, dass der Verbraucher auf der Rückseite der Bezugsmaterial-Muster wichtige Gebrauchseigenschaften vorfindet (keine Prüf- und Messdaten, sondern „übersetzte“ Aussagen, die für den Endkunden verständlich und eindeutig sind). Alle Informationen, die für die Erstellung der „Materialeigenschaften“ wichtig sein könnten, sind von Zulieferanten mit Hilfe der „Materialspezifikationen“ zu liefern.
  • Zu Punkt 7: Reinigungs- und Pflegeanleitung

Falls keine Kurzform in der DGM-Produktinformation möglich ist, kann auf eine vorhandene Anleitung des Herstellers verwiesen werden. Zur groben Orientierung sind für die Pflegeeigenschaften drei Kategorien vorgesehen. Entsprechend der Materialeigenschaften ist eine Kennzeichnung vorzunehmen.

Die beschriebenen Mängel/Schäden waren in der Addition darauf zurückzuführen, weil

  • Anwendungstechnische Problemstellungen und handwerkliche Fehl- leistungen bezüglich der Lederverwendung/ Ledereignung (Gerbe-/ Zurichtungsfehler), sowie der damit in Zusammenhang stehenden Materialkomponentenaufbauten die Lederoberflächen und die Leder- bezüge insgesamt dauerhaft und nachteilig beeinflusst haben,
  • zum Einen das eingesetzte Leder und zum anderen der Gesamtmaterialaufbau nicht funktionsfähig auf Grund der beschriebenen Gesamtsituationen vorliegen,
  • die vorgenannten Fehlleistungen/ Materialfehlsysteme die Schäden/Mängel forciert und verursacht haben.

Nach Beendigung der gutachtlichen Ausführungen und Vorlage des Gutachtens wurden sämtliche Lederbezüge zeitnah durch den Lieferanten/ Produzenten vollständig erneuert, also kostenfrei ausgetauscht.

Der Berufssachverständige
Michael Grein